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Impuls zum 4. Juni 2023

Zum Dreifaltigkeitssonntag

Von Gertrud Casel, pax christi Trier

Gewalt und Machtmissbrauch verlernen – ein weltweiter Lernprozess

Lied
Meine engen Grenzen, 1. und 2. Strophe, Gotteslob (GL) :  Nr. 437

Begrüßung 
Warum geht das alles so mühsam voran mit dem Frieden? Warum scheinen wir sogar zurückzufallen in Verhaltensmuster von Kain und Abel?  Warum scheint die Verstrickung ins Unheil zu wachsen, statt abzunehmen. Kriege, Aufrüstung, Klimakatastrophen. Weltweit haben die Militärausgaben laut SIPRI einen neuen Höchststand erreicht (2,24 Billionen Dollar), mehr als im Kalten Krieg. Gleichzeitig bringt das World Food Programm nicht mehr die notwendigen Mittel für dringend benötigte Hungerhilfe auf. In Europa sind Ausgaben fürs Militär im vergangenen Jahr um 13% angestiegen. Zwischen 2010 und 2022 hat sich die Zahl der in Kriegen und bewaffneten Konflikte getöteten Menschen weltweit verdoppelt ggü. den 10 Jahren davor. Verdoppelt hat sich auch die Zahl der Geflüchteten.  

Gewaltbereitschaft und Machtmissbrauch sind tief verankert in unseren Reaktions- und Verhaltensmustern, individuell, sozial, gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch. Von Kindesbeinen an lernen immer noch viel zu viele zurückzuschlagen, Aug um Auge. Wir sehen, wir hören und erleben in den Medien täglich Rollenmodelle, die gewaltförmig auf Gewalt reagieren oder sie zuerst einsetzen. Häusliche Gewalt gehört immer noch für viele zum Alltag … 

Dabei ist es überlebensnotwendig geworden, Gewalt und Machtmissbrauch zu verlernen, weltweit.

Kyrie 
(Ukraine) GL, Nr. 155

Lesung, Micha 4,1-4 
Am Ende der Tage wird es geschehen: / Der Berg des Hauses des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; / er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen Völker.  Viele Nationen gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN / und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, / auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion zieht Weisung aus / und das Wort des HERRN von Jerusalem.  Er wird Recht schaffen zwischen vielen Völkern / und mächtige Nationen zurechtweisen bis in die Ferne. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden / und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht mehr das Schwert, Nation gegen Nation, / und sie erlernen nicht mehr den Krieg.  

Reflexion 
Die Völkerwallfahrt zum Zion, eine wunderschöne Verheißung, mehr als das: eine Erinnerung an die Realität, dass wir alle Kinder der einen Erde sind, Geschwister auf einer Welt, dass wir zu einer Menschheitsfamilie gehören Ost und West, Nord und Süd. 

Wir träumen davon, wie Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden und Lanzen zu Winzermessern. Oder wie es bei Jesaja heißt, davon, wie Löwe und Lamm zusammenweiden. Es ist nicht nur ein Traum, es ist eine Verheißung, ein starkes Bild und Grund unserer Hoffnung. Wie Gott Recht schaffen wird. „Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen.“ (Micha 4,2)

Wir gehen Schritte zum Frieden, suchen Wege dorthin, aber warum sieht es so aus, als kämen wir nicht weiter. Wir fallen immer wieder zurück in alte Muster von Gewalt und Hass, von Verfeindung und Rache, von Aufrüstung und Abschreckung. Die Muster von imperialistischer Politik zeigen sich immer wieder? Russland, jetzt in der Ukraine, vorher Georgien und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, USA im Vietnamkrieg oder im Irak, aber auch Saudi-Arabien und Iran z.B. im Jemen.

Gewalt verlernen, ein weltweiter mühsamer Lernprozess, der stockt … Gott „unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen“, wie aber sieht diese Unterweisung aus??

Lesung, Mt 5, 38,39; 43-48
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn.  Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!  Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel!  Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm!  Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab!  Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.  Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?  Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!“

Reflexion 
Sprecher/in 1 
Das ist harte Kost, das geht voll gegen unsere spontanen Neigungen und Reaktionsmuster …
In der Fastenzeit gehen wir an meinem Wohnort traditionell den Kreuzweg. Schon im vergangenen Jahr, nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte und der Krieg begann, nachdem im Bundestag Zeitenwende und Aufrüstung angekündigt wurde, hat mich dieser Kreuzweg, dieser Weg Jesu bis in den Abgrund des Leidens, herausgefordert. Auch in diesem Jahr wieder nach den mühsamen Auseinandersetzungen auch in der Friedensbewegung um Waffenlieferungen und militärischen Beistand für die Ukraine. 

Sprecher/in 2
„Denn durch dein Kreuz hast du die Welt erlöst“. Jesus lebt aus der überfließenden Liebe Gottes seines Vaters, und er gibt diese weiter in seinen Taten und Worten. Er erkennt in jedem, den Aussätzigen, den Armen und Kleinen, den Zöllnern und Ausbeutern, auch in den Feinden das Ebenbild Gottes. Daher fordert er die Feindesliebe ein - und zwar ohne Wenn und Aber. Weil es um die Grundwahrheit des Menschseins geht: kein Gegenschlag, kein Brudermord, keine Abschreckung, kein Hack-back! Aber es geht um mehr als keine Reaktion, viel mehr: Liebe als Antwort. „Geh zwei Meilen mit“, „gib auch den Mantel“ … Aktive Gewaltfreiheit. 

Sprecher/in 1
Ich bin keine Pazifistin, schon lange nicht mehr. Nach dem Völkermord in Ruanda, in der Auseinandersetzung mit den Massenvergewaltigungen im ehemaligen Jugoslawien, aber auch angesichts des Übermaßes häuslicher Gewalt gegen Frauen in fast allen Kulturen, schließe ich gewaltförmige Gegenwehr nicht mehr aus. Braucht es nicht Gewalt, um massenhafte systematische Menschenrechtsverletzungen zu unterbrechen und zu beenden, wie es die „Responsibility to Protect“ nahelegt? Aber der Weg Jesu in die Entäußerung, ans Kreuz stellt mich in diesem Punkt zutiefst infrage.  Ich will und muss umlernen. Jesus Christus ist der Mensch, an dem ich mich orientiere, der Mensch- sein in Fülle lebt, er ist die Unterweisung Gottes, die Offenbarung Gottes. 

Sprecher/in 2
Jesus ist das Modell des Menschen, wie Gott ihn geschaffen und gewollt hat. Und selbst in der größten Bedrohung und existentiellen Angst am Ölberg hört er nicht auf zu lieben und legt das weitere Geschehen in Gottes Hände: „Dein Wille geschehe“. Und diese scheinbar armselige Offenbarung Gottes wurde schon zu Lebzeiten zutiefst abgelehnt: von der Krippe bis zum Kreuz! Und dies nicht nur von Fernstehenden, sondern auch von seinen eigenen Jüngern. 

Sprecher/in 1
Und dieses Festhalten an der Gegengewalt, hat das nicht auch mit meinem Wunsch zu tun, auf die Lage zumindest indirekt einzuwirken, sie unter Kontrolle zu halten? Mit dem unausrottbaren Irrglauben „an die erlösende Macht der Gewalt“? 

Sprecher/in 2
Wenn wir überleben wollen, wenn wir als Menschheitsfamilie in unserer wechselseitigen Abhängigkeit uns nicht wechselseitig vernichten, sondern gemeinsam weiterentwickeln wollen, dann müssen wir Gewalt verlernen, dann ist aktive Gewaltfreiheit notwendig und zwar weltweit! 

Sprecher/in 1
Dieser Lernprozess aber verlangt viel Geduld und langen Atem - wie jede Entwicklung. 1910 war das Züchtigungsrecht des Mannes noch im Bürgerlichen Gesetzbuch verbrieft. In der Generation meiner Eltern wurde zu Hause noch mit Prügel, manchmal sogar mit der Peitsche „erzogen“. Auch in der Volksschule, die ich besuchte, haben manche Lehrer geprügelt. Da sind wir heute etwas weiter. 

In der Charta der Vereinten Nationen haben die 51 UN-Gründungsmitglieder 1945  ein absolutes Gewaltverbot verbrieft. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hat 1948 das unveräußerliche Recht auf Leben in Menschenwürde festgehalten. Wir haben die UN-Kinderrechtskonvention. Aber die Umsetzung???  Auch in der deutschen Sicherheitspolitik ist der Vorrang ziviler Krisenprävention festgeschrieben, wird aber nicht eingelöst; nach der Zeitenwende geht es sogar voll in die falsche Richtung. Bei der Hochrüstung mischt Deutschland kräftig mit.

Sprecher/in 2
Gerade als christliche Kirchen aber müssen wir die Hoffnung hochhalten, die Sehnsucht nach dem friedlichen Zusammenleben von Löwe und Lamm, von Kuh und Bärin. Und es gibt immer wieder Grund zur Hoffnung, wie z.B. der Atomwaffenverbotsvertrag 2017, die Protokolle zur Umsetzung von der Vertragsstaatenkonferenz in Wien im vergangenen Jahr. Friede ist möglich! Und die Wegmarkierungen Richtung Frieden gilt es, immer wieder in Erinnerung zu rufen!

Wir sollten als christliche Kirchen und Religionsgemeinschaften auf jede Rechtfertigung von Krieg und militärischer Gewalt verzichten, wie es Papst Franziskus konsequent tut. Und den Weg der aktiven Gewaltfreiheit lehren, propagieren, verkünden, „denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ 

Sprecher/in 1
Am Ende werden wir auferstehen zum Leben in Frieden. Auch wenn es zurzeit eher aussieht wie Karsamstag: unsere Hoffnung begraben. 

Lassen wir uns auf die Unterweisung Gottes ein, lassen wir uns nicht entmutigen! Auch wenn mit der Option für Gewaltfreiheit nicht alle Fragen etwa in der Sicherheitspolitik beantwortet und nicht alle Differenzen heute bereinigt sind:  Wir werden Gewalt und Krieg verlernen, die einen früher, die anderen später. Und es wird endlich real werden: „Sie erheben nicht mehr das Schwert, Nation gegen Nation, / und sie erlernen nicht mehr den Krieg.“   

Fürbitten  
Liedruf: Gospodi pomiliu

Gos  -  po  -  di     po  -  mi    -     -     -     lui.

Gos  -  po  -  di     po  -  mi    -     -     -     lui.
 
Gott, du Grund unserer Hoffnung, zu dir dürfen wir kommen, auch mit leeren Händen. 

Wir bringen vor dich ... die Genozide, die Vernichtung von Volksgruppen. Die uns herausfordern und uns nachgehen bis heute. Wir erinnern den Holocaust. Die Massaker im Bosnien-Krieg, insbesondere in Srebrenica. Die Massaker in Ruanda im Sommer 1994, und aktuell im Amazonas Regenwald-Gebiet Massaker an den dort lebenden indigenen Völkern?
Liedruf: Gospodi pomiliu

Wir bringen vor Gott ... die Rüstungsexporte aus unserem Land in die Welt. Die vielen Bürgerkriege aktuell im Sudan, im Jemen, den Angriffskrieg auf die Ukraine, die Aufstände im Iran. Die ungelösten Auseinandersetzungen in Libyen, in Israel / Palästina, in Afghanistan, im Irak. Die militärischen Angriffe und jegliche anderen Formen von Gewalt.
Liedruf: Gospodi pomiliu

Wir bringen vor Gott … Den menschengemachten Klimawandel. Die Zerstörung der Natur und der Lebensgrundlage ganzer Völker auf der ganzen Welt. Den Raubbau an der Natur. Menschengemachte Armut und Elend.
Liedruf: Gospodi pomiliu

Wir bringen vor Gott … Die immer deutlicher werdenden Risse in unseren europäischen Gesellschaften. Das Auseinanderklaffen von Reich und Arm. Die Zerreißproben durch Populismus und Nation Nationalismus. Die Zerreißproben, vor die uns die aktuellen Kriegssituationen stellen.
Liedruf: Gospodi pomiliu
Wir bringen vor Gott … unsere Hoffnung auf Frieden. Unser Bemühen um Frieden und das Vertrauen auf Christus, der unser Friede ist. Unsere tiefe Sehnsucht nach Weite und Wandlung unserer Verhältnisse. Unsere Entscheidung zum Aufstand für das Leben.
Liedruf: Gospodi pomiliu

(In Anlehnung an die Fürbitten im Festgottesdienst beim pax christi-Kongress in Leipzig am 21. Mai 2023)

Vater unser
gesungen GL 661,8   oder gesprochen

Segen
Der Herr segne uns, er lasse sein Angesicht über uns leuchten und schenke uns Frieden. Amen.

Schlusslied
Da wohnt ein Sehnen tief in uns  

Aus: https://habakuk-musik.de/pdf/Da_wohnt_ein_Sehnen_tief_in_uns.pdf